1. Virtual Reality im PM

“This meeting could have been an e-mail” – heute setzen Unternehmen mehr denn je auf virtuelle Teams zur Durchführung von Projekten. Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen und Projektteams in einem globalen Markt ist die Schaffung einer nahtlosen Mitarbeiter- und Kundenerfahrung über Städte, Länder und Kontinente hinweg. Kunden und Projektleiter sind über die ganze Welt verteilt, sodass herkömmliche Lösungen für Tele- und Webkonferenzen häufig nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Da immer mehr Unternehmen Richtlinien für die Fernarbeit entwickeln, entwickelt sich Virtual Reality zu einem Tool, dessen Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Projektkommunikation und -durchführung weit über die Möglichkeiten von Videokonferenzen hinausgehen und lebendiger macht. Immersive Technologien, wie die Virtual Reality im PM stellen somit den nächsten logische Schritt dar.

2. Definition und Abgrenzung

Virtual Reality (VR) ist eine (immersive) Technologie, die nahezu reale und/oder glaubwürdige Erfahrungen auf künstliche oder virtuelle Weise vermittelt. Das Ziel der immersiven VR ist es, den Nutzer vollständig in die computergenerierte Welt eintauchen zu lassen und ihm den Eindruck zu vermitteln, dass er/sie diese synthetisch erzeugte Welt “betreten” hat. Dies kann entweder durch die Verwendung von Head-Mounted Displays (HMD) oder durch Mehrfachprojektionen erreicht werden. Bei der immersiven VR mit HMD wird die VR direkt vor die Augen projiziert, so dass sich die Benutzer ohne Ablenkung auf die Anzeige konzentrieren können. Ein Magnetsensor im Inneren des HMD erkennt die Kopfbewegungen des Benutzers und leitet diese Informationen an den angeschlossenen Prozessor weiter. Folglich dreht der Benutzer seinen Kopf; die angezeigten Grafiken können den wechselnden Blickwinkel widerspiegeln. Die virtuelle Welt scheint auf die Kopfbewegungen in gewohnter Weise zu reagieren.1

Abgegrenzt muss Virtual Reality auch zu Augmented Reality (AR): „Virtual Reality (VR) bringt die Nutzer/innen an jeden beliebigen Ort, während Augmented Reality (AR) Dinge hinzufügt, die nicht da sind, oder das, was schon da ist, verbessert.“ 2

Des Weiteren spricht man auch häufig von Mixed Reality (MR). Mixed Reality bringt die reale Welt in die digitale Welt und/oder erweitert digital, das was bereits vorhanden ist. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von Hologrammen, welche ihre Umgebung wahrnehmen können. MR vermischt somit AR/VR mit traditionellen menschlichen Kommunikationsmethoden, um völlig neue Formen der Kommunikation zu schaffen.2

3. Anwendungsbereiche im PM

VR ist nicht nur Spaß und Spiel. Es gibt unzählige Möglichkeiten für die Anwendung von Virtual Reality in verschiedenen Bereichen. PwC geht davon aus, dass VR in Unternehmen in den nächsten zehn Jahren exponentiell zunehmen wird, da Unternehmen sie für Brainstorming, 3D-Produktdesign, Datenvisualisierung und andere gemeinsame Arbeiten, wie Projekten, bereits einsetzen oder werden, die früher ohne persönliche Treffen unmöglich zu koordinieren schienen.3

Der Einsatz von VR-Technologien im PM ist vielfältig:

  • VR als Projektthema: z.B. Ausbildung von Chirurgen, Piloten oder Spezialkräften zur Terrorismusbekämpfung
  • VR-basierte Projekte für (Mitarbeiter-) Bildung: z. B. E-Learnings
  • VR in der Projektkommunikation und Kollaboration: z.B. in der Automobilindustrie zum Testen von Autos (Audi), Ausbildung (Volkswagen), virtuelle Ausstellungsräume (Cadillac), usw.
  • Entwicklungsprojekte kompletter VR-basierter Plattformen für die Echtzeit Remote-Kollaboration, die die Hardware, Software, Wissensaustausch und Echtzeit Remote-Unterstützung in vielen verschiedenen Arten von Projekten umfassen
  • VR kann außerdem in verschiedenen Phasen des Projektmanagements eingesetzt werden, wie in den oben genannten Beispielen veranschaulicht

Zwar sind alle Unternehmen und Projektteams von menschlichen Transaktionen und Interaktionen abhängig, doch zwei Sektoren bzw. Branchen veranschaulichen besonders exemplarisch die kollaborative Kraft und zahlreichen Möglichkeiten von VR in Projekten: Architektur, Technik und Bauwesen (AEC) und Gesundheitswesen (siehe Tabelle und weiterführende Literatur “BIM + VR Technology in Construction Management”).

Einige branchenspezifische Beispiele für Einsatzmöglichkeiten im Projekt Management sind in Tabelle 1 4 aufgeführt:

Branche Beispiel Anwendungen
Architektur, Bauwesen und Ingenieurwesen Anstelle der üblichen 2D-Zeichnungen und Renderings können Investoren und Kunden durch VR einen realistischen Eindruck von zukünftigen Gebäuden, Wohnungen, Geschäftsräume, sowohl von außen als auch von innen gewinnen. Anwendung von AR/VR-Technologien bei derartigen Projekten senkt Kosten und Zeitaufwand, verbessert das Design und erleichtert die Bauplanung. (siehe weiterführende Literatur Li, Yi, Chi, Wang, & Chan, 2018)
Automobilindustrie VR-Lösungen werden für Probefahrten, Tests von Autoelementen, Autohäuser etc. eingesetzt. Zum Beispiel Volkswagen setzt VR- als auch AR-Lösungen ein, in der Überzeugung, dass sie dem so Unternehmen helfen, mit den steigenden Anforderungen an die Automobilindustrie erfolgreich zu bewältigen. Das Unternehmen lädt Mitarbeiter systematisch dazu ein, VR- und AR-Lösungen für Schulungen und Zusammenarbeit zu nutzen, um ihre Marken und Abteilungen zu stärken.
Gesundheitswesen Die Ausbildung von Chirurgen ist einer der wichtigsten Anwendungsbereiche der AR/VR-Technologien im Gesundheitswesen. Es gibt Beispiele für den Einsatz in der Triage und der Notfallversorgung, zum Beispiel Red Cross Triage AR (Anwendung von Google Glasses)
Militär/Verteidigung/Sicherheit TARGET (Training Augmented Reality Generalized Environment Toolkit) ist ein europäisches Projekt und entwickelt AR und VR-Lösungen für das Training von sicherheitskritischen Agenten (z.B. Polizisten, Feuerwehr, Anti-Terror-Einheiten usw.). Das Projekt verwendet verschiedene Ansätze, die eine Fernverbindung von AR und VR-Systemen mit Geolokalisierung und anderen Werkzeugen, einschließlich 3D-Modellierung, Photogrammmetrie, Drohnen und viele andere moderne Technologien und schafft somit eine neuartige Mixed-Reality-Umgebung.

4. Vor- und Nachteile von Virtual Reality im PM

4.1. Vorteile

Der Einsatz von AR/VR bietet mehrere bedeutende Vorteile im PM. Unternehmen, die VR einsetzen, verzeichnen häufig engagiertere Mitarbeiter, eine höhere Produktivität und geringere Reise-, Umwelt und andere Kosten. Meetings können somit einen weitaus geringeren ökologischen Fußabdruck generieren. Weniger Reisen bedeutet auch weniger Stress, höhere Produktivität und geringere Burnout- und Fluktuationsraten. Die dadurch eingesparte Zeit trägt somit auch zu einer besseren Work-Life-Balance bei 3.

Der Einsatz von AR/VR ist zudem insbesondere nützlich für Entscheidungsfindungsproblemen in komplexen Projekten. Dies ist besonders wichtig in Bereichen, in denen schnelle und genaue Reaktionen und Vorhersagen extrem wichtig sind (wie lebensrettende Situationen oder einige sicherheitsrelevante Projekte). Darüber hinaus wird mit Hilfe von AR/VR ein einfacheres und viel schnelleres Verständnis von großen Datenmengen möglich. Die Zusammenarbeit in Echtzeit aus der Ferne reduziert neben den oben genannten Reisekosten, auch Reparaturzeiten und erleichtert die Logistik4.

Generell verbessert der Einsatz von VR Technologien in der Instandhaltung die Effizienz (Zeit und Ressourceneinsparung) und erhöht Produktivität. Außerdem ermöglichen sie eine sehr effiziente Überwachung von Maschinen und Prozessen4.

Zudem kann der Validierungsprozess in vielen Fällen bereits an den Beginn des Projektes verlegt werden (z.B. Projektplanung), da die Visualisierung zukünftiger Produkte nun bereits in der Entwicklungsphase dem Kunden präsentiert werden können. Auch die Iterationen und die Anzahl der Versuche und Tests in der Entwicklungsphase müssen nicht mehr teuer und streng begrenzt sein, was für innovative Aktivitäten ermutigend ist4.

4.2. Nachteile

Kritisch gesehen wird hingegen vor allem der potenzielle Einfluss der Technologien auf unsere Gesellschaft. VR und Co. können sehr eindringliche Erlebnisse schaffen, die es den Nutzern ermöglichen, der Realität mühelos zu entkommen. Während viele Menschen dies für eine gute Sache halten, argumentieren andere, dass es dazu führen kann, dass sich die Menschen in ihren Bildschirmen verlieren, anstatt von Angesicht zu Angesicht miteinander zu interagieren 2.

Das wohl größte Hindernis der VR-Implementierung im PM sind jedoch die unvermeidlichen Hardware- und Software-Anforderungen. Einige der Hardwareanforderungen für VR-Implementierung im PM könnten Headsets oder spezielle Brillen sein, wie z.B. Microsoft HoloLens oder Oculus Rift. Für professionelle Anwendungen im PM müssen die Hardware-Geräte durch entsprechende Software unterstützt werden, was oft erhebliche materielle Investitionen erfordert. Eine Abwägung der Kosten gegenüber den zu erwarteten Nutzen (Kosten-Nutzen-Analyse) erscheint daher sinnvoll. Dennoch gibt es bereits sehr nützliche und hocheffiziente Werkzeuge für VR im PM die nur Software benötigen und mit Smartphones und Tablet-Geräten arbeiten. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Technologien für Fachleute nicht so breit und professionell4.

5. SWOT Analyse

Da AR/VR-Technologien einen stetig wachsenden Bereich darstellen, in dem fast täglich neue Ideen und Anwendungsbereiche zum Vorschein kommen, beschreibt die von Dodevska, Z. A., & Mihić, M. M. (2018)4 durchgeführte SWOT-Analyse die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der Implementierung von AR/VR-Technologien im PM lediglich eine Momentaufnahme aus der bisher bestehenden Literatur und Forschung.

SWOT Analyse

Abbildung 1: SWOT-Analyse der Implementierung von AR/VR-Technologien im PM aus Dodevska, Z. A., & Mihić, M. M.(2018)4

6. Future Trends

Seitdem die ersten Prototypen der bahnbrechenden VR-Technologie vorgestellt wurden, haben Regierungen, Unternehmen und Technologiekonzerne ihr Potenzial erkannt. Sie investieren eine Vielzahl an Ressourcen und Geldern in VR-Projekte. Für das PM bedeutet dies, dass es mit einem Anstieg der Anfragen für das Management solcher Projekte rechnen muss und dass die PM-Ausbildung Experten (bzw. Spezialistenteams hervorbringen muss, die mit solchen Projekten effizient umgehen können.

Insbesondere im kollaborativen Anwendungsfeld von VR gibt es noch Verbesserungspotenzial. Oft konzentriert sich die Anwendung von VR mehr auf das gemeinsame Anschauen von Inhalten und weniger auf das kollaborative Arbeiten mit mehreren Team- und/oder Projektmitgliedern. VR-Anwendungen, die uns mehr Werkzeuge (wie z.B. Post-its), die für Methoden wie u.A. Kanban notwendig sind, zur Verfügung stellen und mehr auf Zusammenarbeit als auf soziales Beisammensein zugeschnitten sind werden in diesem Zusammenhang immer wichtiger.

Siehe auch

Weiterführende Literatur

Quellen